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Körperressourcen finden und stärken
Neulich habe ich mit einer Klientin ein kleines Experiment gemacht, das uns beide ins Staunen gebracht hat. Es ging darum, eine Körperressource zu finden und sich mit ihr bewusst zu verbinden. Meine Klientin ist seit längerer Zeit sehr verspannt. Sie hat oft das Gefühl, dass ihr alles wehtut. Ihr Körper ist für sie ein einziges Brett. Ihre Bewegungsfreiheit (Neudeutsch: range of motion 😉 ) ist stark eingeschränkt, und die Verletzungsgefahr – entsprechend groß.
Kennst du auch dieses Gefühl? Der Schmerz oder das Unwohlsein sind so dominant, dass sie deine ganze Aufmerksamkeit in Anspruch nehmen. Und dann traust dir immer weniger zu – aus Angst, etwas „kaputt“ zu machen.
Letzteres ist übrigens eine geniale Schutzfunktion deines Körpers. Denn wenn du in so einem Zustand versuchst, irgendwelche Dehnübungen oder Yoga Classes bei YouTube zu machen, könntest du dich übelst verletzen.
Es gibt natürlich auch die andere Variante – du dehnst und ziehst und sportelst bis der Arzt kommt. Oder bis du völlig erschöpft ins Bett fällst und am nächsten Morgen noch verspannter aufwachst. Auch diese Strategie ergibt neurobiologisch Sinn: du möchtest etwas weghaben, was dich belastet. Also „kämpfst“ du dagegen an und „fliehst“ weg von den unangenehmen Empfindungen, damit du sie nicht spürst.
In beiden Fällen (nichts machen aus Angst oder zu schnell zu viel machen) ist dein autonomes Nervensystem in einem sehr gestressten Zustand. Er äußert sich zwar unterschiedlich aus, aber in einem gestressten Zustand kannst du keine nachhaltige Lösung finden. Hier kommen deine Ressourcen ins Spiel.
Eine Ressource ist eine Kraftquelle, ein Anker im Inneren oder im Äußeren. Sie hilft dir, im Hier und Jetzt anzukommen – präsent und im wahrhaftigen Kontakt mit dir selbst und mit anderen zu sein. Ressourcen können Orte, Aktivitäten, Menschen, Tiere, Eigenschaften, Talente, Musik, Erinnerungen, Ideen und so vieles mehr sein. Alles, was dir gut tut, dich stärkt und in deine Kraft bringt, ist eine Ressource.
Vielleicht magst du an dieser Stelle eine kleine Pause machen (was übrigens auch eine tolle Alltags-Ressource ist – hierzu direkt eine Podcast-Empfehlung über die Kraft der Pause 😉 ) und dir kurz aufschreiben, welche Ressourcen du in deinem Leben hast. So eine „Ressourcensammlung“ kann in stressigen oder auch schwierigen Situationen wahre Wunder bewirken. Denn in solchen Situationen sind wir meistens sehr problemfokussiert und vergessen gefühlt alles, was uns gut tut.
Eine Körperressource ist eine Stelle, ein Bereich oder eine Empfindung in deinem Körper, die/der sich gut anfühlt – sicher, geborgen und wohlig entspannt. Du kannst deine Aufmerksamkeit darauf lenken, ohne dich dabei zu verkrampfen; es tut nicht weh, und es belastet dich nicht. Du musst nichts „machen“, sondern du kannst einfach entspannt damit „sein“. Dabei spielt es keine Rolle, wie groß der Körperbereich und wie intensiv die Empfindung ist. Dein Atem, deine Nasenspitze, dein Haaransatz, dein Kleinfinger, deine Bauchnabel, dein Großzehe – all das kann eine Körperressource sein, wenn es sich sicher und angenehm anfühlt.
Viele Menschen glauben, keine Körperressourcen zu haben. Das kann ich als ehemalige Schmerzpatientin sehr gut nachempfinden. Auch ich hatte damals das Gefühl, dass mein ganzer Körper schmerzt und außer dem Schmerz nichts da ist. Mir ging es einzig darum, diesen Schmerz weg zu haben, um ein Stück Gesundheit und Lebensqualität zurückzugewinnen. An diesem Wunsch ist nichts verkehrt. Lediglich der Weg dahin kann durch bestimmte „Lösungsansätze“ sehr lang, schmerzhaft und zermürbend sein.
Leider sind viele Bewegungsangebote, die es so gibt, nicht ressourcenorientiert, sondern aktivieren eher unsere Kampf-, Flucht- oder Erstarrungszustände. Diese Zustände bedeuten Stress für den Körper und unter Stress passiert keine Heilung. Auch in der Körperarbeit gibt es diesbezüglich viel Potenzial nach oben. ich bin der Meinung, dass nachhaltige Schmerzlinderung nicht durch Anfixen, Wegtrainieren, Wegmeditieren, noch mehr dehnen, usw. entsteht, sondern durch bewusste, ressourcenorientierte Zuwendung.
Mittlerweile bin ich auch der festen Überzeugung, dass jeder Mensch nicht nur eine, sondern mehrere Körperressourcen hat. Er weiß nur nicht, wir man an sie herankommt.
Wie ich oben beschrieben habe, sind Ressourcen so etwas wie Anker im Hier und Jetzt. Sie sind das Licht im Dunkeln, das dich aus den tiefen Tälern des Schmerzes wieder rausholen kann. Körperressourcen zu finden und dich bewusst mit ihnen zu verbinden, hat viele Vorteile:
Nun fragst du dich bestimmt, wie du an so eine Körperressource dran kommst? ⬇️
Jetzt wird es praktisch. Ich lade dich zu einem kleinen Experiment ein. Es dauert zwischen 5 und 15 Minuten. Je öfter du es machst, desto schneller wirst du dich in deinem Körper orientieren und mit deiner Körperressource verbinden oder eine neue finden. Los geht’s:
1️⃣ Mach es dir gemütlich im Sitzen oder Liegen an einem ruhigen Ort und schließe für einen Moment deine Augen, wenn du magst. Richte deine Aufmerksamkeit auf deinen Körper – wie ist sitzt oder liegst du da? Wie ist dein Kontakt zu deiner Sitz- oder Liegefläche? Kann dein Atem frei fließen? Wo im Körper nimmst du ihn wahr?
2️⃣ Verweile so lange bei deinem Atem, wie es sich für dich angenehm anfühlt. Wenn du merkst, dass du gedanklich abschweifst, dann kehre einfach wieder zurück – ohne dich zu ärgern oder zu kritisieren.
3️⃣ Gehe jetzt mit deiner Aufmerksamkeit langsam vom Kopf bis Fuß und bleibe bei jeder Stelle, die sich neutral oder angenehm anfühlt, kurz stehen. Sie kann so klein und „unbedeutend“ sein wie z.B. deine Nasenspitze oder dein Kleinfinger. Du darfst sie trotzdem wahrnehmen und wertschätzen.
3️⃣ Suche dir jetzt eine Stelle aus, die sich besonders gut anfühlt. Lenke deinen Atem dorthin und nimm ein paar tiefe Atemzüge. Mach das langsam und genüßlich. Beobachte, ob sich dabei etwas in deinem Körper verändert.
4️⃣ Als Nächstes kannst du eine Stelle finden, die ein bisschen unangenehm ist. Keine große Schmerzstelle, sondern eine kleinere. Versuche nun, deinen Atem behutsam dorthin zu lenken und in dieser Stelle tief ein- und auszuatmen. Wie fühlt sich das an? Nimm dir Zeit, das Ganze in Ruhe zu beobachten.
5️⃣ Kehre nun zurück zu der angenehmen Stelle und atme einige Male abwechselnd dort und dann in die unangenehme Stelle ein und aus. Ganz langsam und ohne etwas Bestimmtes zu erwarten oder zu bewerten. Wiederhole das Ganze 2-3 Mal und beobachte, wie es sich anfühlt. Dann finde einen Abschluss und spüre nach.
Diese Übung kannst du wunderbar abends im Bett machen oder morgens direkt nach dem Aufwachen. Je öfter du damit experimentierst, desto feiner wird deine Wahrnehmung. Umso schneller wirst du dich mit deinen Körperressourcen verbinden.
Nachdem du die Übung gut verinnerlicht hast, kannst du sie auch mit einer Schmerzstelle ausprobieren. Auch hier gilt – nimm dir Zeit und setze dich auf keinen Fall unter Druck. Vielleicht magst du dir deine Erfahrungen in einem kleinen Schmerztagebuch notieren?
Wenn du die Übung lieber mit Anleitung machen möchtest, dann sei gespannt auf mein neues Gruppenangebot. Dazu werde ich in meinem Newsletter informieren. Vielleicht arbeitest du lieber 1:1? Dann schau dir gern hier mein Solo-Angebot an. Ich begleite dich gern ressourcenorientiert bei deinem Anliegen.